Stellungnahme zur Stellungnahme: Warum ich gegen den Rückbau von Parkplätzen in der Lindenstraße bin

Stellungnahme zur Stellungnahme: Warum ich gegen den Rückbau von Parkplätzen in der Lindenstraße bin

In der letzten Stadtverordnetenversammlung vom 20. Februar 2023 stand eine Beschlussvorlage der Verwaltung auf der Tagesordnung. Beschlossen werden sollte der grundhafte Ausbau der stark sanierungsbedürftigen Lindenstraße in Oranienburg. Während der Sitzung beantragte ich, die Beschlussvorlage zur erneuten Diskussion und Überarbeitung in den Bauausschuss zurückzuverweisen. Diesem Antrag wurde mehrheitlich gefolgt.

Grund meines Antrages war, dass die Beschlussvorlage der Verwaltung vorsah, im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen alle 25 Parkplätze in der Lindenstraße zurückzubauen und zudem eine Einbahnstraßenregelung in Richtung Bahnhof/Stralsunder Straße zu etablieren (siehe oranger Pfeil in der Karte unten). Dabei handelt es sich bereits jetzt um ein Gebiet mit erhöhter Verkehrsbelastung und erheblichem Parkdruck.

Ausschnitt aus der Planzeichnung: So soll die Lindenstraße nach der Sanierung aussehen
(Zeichnung: Beissert und Hengge Landschaftsarchitekten)

In einer Stellungnahme des Klimabeirates vom gestrigen Tage heißt es nun, die Ablehnung [Tatsächlich: Rücküberweisung] der Beschlussvorlage 1107/2022 sei „befremdlich“. So müsse entsprechend des Klimaschutzkonzeptes die „Versiegelung reduziert“ und die „Attraktivität für den motorisierten Individualverkehr verringert“ werden – und dies erfordere die „Reduktion von Parkraum für PKW“.

Ich teile die Einschätzung des Klimabeirates nicht und möchte die Gründe im Weiteren etwas erläutern.

Die Lindenstraße befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof und dem dazugehörigen Park-and-Ride-Parkplatz. Beide erfreuen sich glücklicherweise einer steigenden Beliebtheit. So hat nicht nur die Zahl der Bahnfahrgäste allgemein kontinuierlich zugenommen, sondern auch die Zahl der Pendler, die ihren PKW am Bahnhof abstellen und mit dem ÖPNV nach Berlin fahren. So musste der Park-and-Ride-Parkplatz bereits einmal erweitert werden und ist zu den Stoßzeiten nicht selten komplett ausgelastet. Zusätzlich verschärft wurde die Auslastung durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom Dezember 2020 (den ich für falsch halte, zu dem ich mich aber enthalten habe, da ich persönlich selbst in dem betroffenen Gebiet wohne, siehe Hinweis unten), der das Anwohnerparken in der Stralsunder Straße, der Schulstraße und Lehnitzstraße (in der Karte grün markiert) aufgehoben und damit bewirkt hat, dass auch Anwohner vermehrt auf den Park-and-Ride-Parkplatz ausweichen müssen.

Kartenausschnitt des betroffenen Gebiets, Lindenstraße hier mit orangem Pfeil gekennzeichnet.
(Quelle: OpenStreetMap, zusätzliche Markierungen durch den Autor)

Spiel mit Zahlen

Der Klimabeirat hingegen kritisiert in seiner Stellungnahme, dass zwischen 2014 und 2019 die Zahl der Parkplätze von 2.246 auf 2.407 (+7,1%) zugenommen habe. Diese Zahlen stammen aus einem unabhängigen, von der Stadt 2019 extern beauftragten Gutachten.

Tatsächlich bezieht sich die vom Klimabeirat genannte Zahl aber nur auf die Stellplätze in Sammelanlagen, nicht jedoch auf die Zahl der Stellplätze im öffentlichen Verkehrsraum. Deren Zahl hat sich nämlich zwischen 2014 und 2019 von 561 auf 445 verringert (-20,7%). Betrachtet man die Zahlen noch genauer, so fällt auf, dass vor allem die Zahl der nutzerbeschränkten Parkplätze, also Mieter- und Firmenparkplätze, die von der Allgemeinheit nicht genutzt werden können (in der Karte gelb markiert), massiv gestiegen ist (von 748 auf 955; +27,7%). Die Zahl der nicht nutzerbeschränkten Parkplätze hingegen ist sogar gesunken: von 1.498 auf 1.452 (-3,1%). Im gleichen Zeitraum ist die Bevölkerung Oranienburgs allerdings um 4,6% gewachsen. (Vgl. LK Argus: Zweite Evaluierung der Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt vom 17. Januar 2020, S. 7f.)

Besonders dramatisch war diese Entwicklung im näheren Umfeld des Bahnhofs. Bereits für das Jahr 2019 vermerkte der von der Stadt extern beauftragte Evaluationsbericht:

„Die Belegung des Parkraums ist ungleichmäßig auf den Straßenraum verteilt. Es gibt einzelne Straßenabschnitte, die eine hohe oder sehr hohe Belegung aufweisen oder wo die Parkraumnachfrage nicht mehr legal mit den vorhandenen Abstellständen abdeckbar ist. Dies betrifft vor allem innerhalb der Parkzone Ost Bereiche der […] Mittelstraße, Schulstraße, Willy-Brandt-Straße, […] und Lehnitzstraße sowie die außerhalb der Parkzone Ost liegende Lindenstraße [und] Teile des Lindenrings […]“. (Evaluationsbericht, S. 10. Hervorhebung durch den Autor.)

Und weiter:

„Demnach sind die Belegungsgrade werktags um 11 Uhr im Vergleich zu 2017 um 8 % im Straßenraum gestiegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass 2019 15 % weniger Abstellstände im Straßenraum zur Verfügung standen. In den Sammelanlagen sowie insgesamt ist der Belegungsgrad nahezu gleichgeblieben. Im Vergleich zu 2014 ist der Belegungsgrad des Straßenraums um 12 % angestiegen und insgesamt um 7 %“ (Evaluationsbericht, S. 12)

Für die Lindenstraße gab der Evaluationsbericht die Parkraumauslastung mit 100% an und empfahl ebenso wie bereits 2017 die „Errichtung zusätzlicher Stellplätze im Zuge des geplanten Straßenausbaus der Lindenstraße“ (S. 24).

Aber auch die geplante Einführung einer Einbahnstraßenregelung sehe ich kritisch. So ist die Stralsunder Straße bereits jetzt gerade im Bereich des Bahnhofs und Fahrradparkhauses sehr beengt (siehe rosa Markierung) und stark vom Verkehr frequentiert. Über die Willy-Brandt-Straße und die Schulstraße (die wiederum als Einbahnstraße nur in die Willy-Brandt-Straße führt, siehe blauer Pfeil) wird Verkehr in die Stralsunder Straße eingeleitet, der sich bereits jetzt nicht selten von der Bernauer Kreuzung bis zum Bahnhof zurückstaut. Ein Ausweichen auf die weniger befahrene Lehnitzstraße wäre dann nur noch durch das Wohngebiet über die Krebststraße möglich, die aber selbst sehr beengt ist. Statt den Verkehr zügig abzuleiten, droht dieser noch stärker in die Innenstadt gelenkt zu werden. Auch dies ist letztlich geeignet, die Attraktivität des Park-and-Ride-Angebots zu verringern und einen Umstieg auf den ÖPNV zu erschweren.

Ideologie und Wirklichkeit

Baudezernent Frank Oltersdorf brachte es auf den Punkt, als er in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung bemerkte, dass hier „unterschiedliche Ideologien aufeinandertreffen“. Nur ist bloße Ideologie statt Fakten selten ein guter Ratgeber.

Oranienburg ist ein Mittelzentrum an der Nahtstelle zum ländlichen Raum und damit eine der wichtigsten Anschlusspunkte an den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr. Flächenmäßig ist unsere Stadt so groß, wie die Berliner Bezirke Pankow, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg zusammen – nur fährt hier eben keine U-Bahn, keine Tram und auch kein Nachtbus. Solange die Ortsteile und umliegenden Dörfern bestenfalls stündlich, zumeist noch deutlich schlechter und in den Abendstunden gar nicht angebunden sind, werden Menschen auch weiterhin auf den motorisierten Individualverkehr angewiesen sein. Die Frage ist nur, ob sie mit ihrem PKW nur die fünf bis zehn Kilometer zur S-Bahn nach Oranienburg fahren, oder die vollen 30 bis 40 Kilometer nach Berlin. Ebenso dürfte es dem Klima kaum zuträglich sein, wenn Anwohner auf der Suche nach einem Parkplatz mehrmals um den Block kreisen. Solange den Menschen kein adäquates ÖPNV-Angebot gemacht wird, werden diese kaum auf ihr Auto verzichten (können). Mangels Alternativen verkäme eine solche Verkehrspolitik zur bloßen Gängelei und droht gesellschaftliche Akzeptanz für wichtige Klimaschutzmaßnahmen zu verspielen.

Ausschnitt aus der Starkregenkarte, Darstellung der maximalen Überflutung (Quelle: Hydrotec Aachen)

Auch der Verweis auf die Starkregengefahr trägt im vorliegenden Fall nicht. Zum einen schließt der grundhafte Ausbau der Lindenstraße die Einrichtung von Versickerungsflächen keineswegs aus. Zum anderen zählt die Lindenstraße gemäß der Starkregenkarte der Stadt Oranienburg gerade nicht zu jenen besonders gefährdeten Flächen.

Selbst wenn der Rückbau der Lindenstraße einen positiven Effekt auf das Klima hätte, stünde dieses Ziel nicht über allen anderen. Wie der Klimabeirat zutreffend bemerkt, sollen diese Aspekte „mitgedacht“ und „berücksichtigt“ werden, aber nicht alle anderen legitimen Interessen aufwiegen. Vielmehr muss es darum gehen, die vielfältigen Bedürfnisse zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.

Dies kann beispielsweise konkret bedeuten, dass der Parkstreifen künftig (anders als bisher) nur geringfügig versiegelt wird. Auch in unmittelbarer Nähe zur Lindenstraße bieten sich andere, zum Teil weit wirkungsvollere Maßnahmen zum Klimaschutz an – wie etwa die Installation von Photovoltaikanlagen auf dem Park-and-Ride-Parkplatz oder die Begrünung des Bahnhofsvorplatzes. Für beide Maßnahmen liegen inzwischen Anträge vor. Bereits im letzten Jahr hat die Stadtverordnetenversammlung auf meinen gemeinsam mit den Grünen gestellten Antrag hin beschlossen, zusätzliche Haushaltsmittel zur Begrünung von Freiflächen in der Kernstadt bereitzustellen. Dies sind sicht- und spürbare Maßnahmen, die mit Sicherheit auf eine weitaus größere Akzeptanz bei den Anwohnern und Pendlern stoßen, als die weitere Verknappung von dringend benötigtem Parkraum.

Weitere Informationen: Parken in Oranienburg : Stadt will Parkplätze abbauen – Auto gegen Klimaschutz? (Oranienburger Generalanzeiger vom 21. Februar 2023)

Transparenzhinweis: Der Autor wohnt selbst im näheren Umfeld des Bahnhofs und ist als Pendler selbst von der angespannten Parkplatzsituation betroffen.

1 Kommentar zu „Stellungnahme zur Stellungnahme: Warum ich gegen den Rückbau von Parkplätzen in der Lindenstraße bin“

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