Zur Stromproblematik und Nichtentlastung des ehemaligen Holding-Geschäftsführers

Zur Stromproblematik und Nichtentlastung des ehemaligen Holding-Geschäftsführers

In der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung von Oranienburg wurde dem ehemaligen Geschäftsführer der Oranienburg Holding die Entlastung für das Geschäftsjahr 2022 versagt. Insbesondere Thomas Ney, Stadtverordneter für die Piratenpartei, hatte sich für diesen Schritt stark gemacht. Hintergrund der Entscheidung, eine Entlastung vorerst nicht vorzunehmen, sind zum einen die Ergebnisse des Holding-Untersuchungsausschusses, aber auch neuerlich bekanntgewordene Informationen im Zusammenhang mit dem Neubau eines Umspannkraftwerkes durch die Stadt Oranienburg.

Bedeutung einer Entlastung

Zur juristischen Bedeutung einer Entlastung äußert sich Dr. iur Rocco Jula, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht auf dem juristischen Fachportal Haufe wie folgt:

„Die Entlastung des Geschäftsführers bedeutet eine Billigung der Geschäftsführung für die vergangene Entlastungsperiode sowie einen Vertrauensbeweis für die Zukunft. Die Entlastung führt zu einem Verzicht auf Schadensersatzansprüche seitens der Gesellschaft. Die Reichweite des Entlastungsbeschlusses ist strittig. Die spätere Geltendmachung von Ansprüchen, von denen die Gesellschafterversammlung bei der Fassung des Entlastungsbeschlusses positive Kenntnis hat, ist in jedem Fall ausgeschlossen. Eine Erkennbarkeit der Schadensersatzansprüche anhand der vorgelegten Unterlagen oder Berichte wird ebenfalls für ausreichend gehalten. Der Geschäftsführer hat nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedoch keinen Anspruch auf Entlastung. Die Entlastung kann nicht nur zur Folge haben, dass die GmbH mit Ersatzansprüchen, sondern auch mit Kündigungsgründen ausgeschlossen ist, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar gewesen wären oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis haben. Hierbei muss der Gesellschafter die Kenntnis nicht zwingend auf der Gesellschafterversammlung erlangt haben oder hätte erlangen müssen. Die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen beim Mehrheitsgesellschafter, der gleichzeitig Mitgeschäftsführer ist, reicht aus.“

Quelle: Dr. Rocco Jula: Entlastung des Geschäftsführers, Haufe Finance Office Premium

Er empfiehlt:

„Sofern der Gesellschafter also die Unterlagen, z. B. der Gesellschafterversammlung vorgelegte Verträge, oder Berichte nicht eingehend geprüft hat oder er sonst Zweifel hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung hat, sollte er lieber dafür plädieren, dem Geschäftsführer keine Entlastung zu erteilen.“

Quelle: ebd.

Begründete Zweifel an der damaligen Geschäftsführung

An diese Empfehlung haben sich die Piraten gehalten. So haben die Stadtverordneten von Oranienburg auf einer Sondersitzung am 4. September 2023 erstmalig umfassend von der Notwendigkeit eines neuen Umspannwerks und weiterer Maßnahmen zur Sicherstellung der Energieversorgung erfahren. Als Ursache für den Investitionsbedarf in die Energienetze in Höhe von 188 Millionen Euro nannte der Bürgermeister dort zwar vor allem die positive Bevölkerungsentwicklung Oranienburgs. Allerdings wurde in den Medien Susanne Zamecki, Aufsichtsratsvorsitzende der Oranienburg Holding wie folgt zitiert:

„Wir gehen derzeit davon aus, dass es vorher hätte gesehen werden müssen.“

Quelle: MOZ/OGA vom 26.September 2023: Versäumnisse beim Netzausbau – Kritik an Ex-Holding-Chef und Laesicke

Dies bestätigte auch der neue Holding-Geschäftsführer Dr. Olaf Lüke auf Nachfrage:

„Die Vorgänge der Vergangenheit werden geprüft und aufgeklärt. […] Wir gehen davon aus, es hätte früher erkannt werden können, dass der Bedarf einer Leistungserweiterung beziehungsweise die Notwendigkeit eines neuen Umspannwerks gegeben waren.“

Quelle: ebd.

Die Datenlage ließe diesen Schluss zu. Zudem müssten die Stadtwerke zum Teil einige Anfragen nach Stromanschlüssen schon ablehnen. Betroffen seien auch Gewerbeansiedlungen – und damit mittelbar der städtische Haushalt. Lüke weiter:

„Wir sind jetzt vom Netz her stabil, aber auf Kante genäht. Demnach ist eine Erweiterung unabdingbar. […] Ohne Frage sind diese Themen seit längerem bekannt und man hätte früher wissen können, dass der Bau eines neuen Umspannwerkes unausweichlich ist. Warum dies nicht eingeleitet wurde, prüfen wir gerade.“

MAZ vom 27. September 2023: Hat Oranienburg ein Strom-Problem?: Holding-Chef Olaf Lüke bezieht Stellung

Das endgültige Ergebnis dieser Prüfung und die Höhe der sich daraus ergebenen Folgekosten liegt den Stadtverordneten noch nicht vor. Folglich könne auch eine Entlastung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen, so Thomas Ney, Stadtverordneter für die Piratenpartei.

„Ein schuldhaftes Versäumnis des ehemaligen Geschäftsführers, der in Personalunion zugleich Geschäftsführer der Stadtwerke Oranienburg war, ist zumindest nicht auszuschließen.“

Thomas Ney, Stadtverordneter für die Piratenpartei

Bereits in der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 6. Mai 2021 hatte Thomas Ney den Bürgermeister gefragt, inwieweit bei den Stadtwerken in die Netze, deren Ausbau sowie in neue Technologien investiert werde. Eine Verschleppung – wie von Ney befürchtet – sah der Bürgermeister damals nicht. Vielmehr betrachtete er auch nach Vorlage der Berichte des Untersuchungsausschusses alle Beteiligten als entlastet und betonte, sein Vertrauen in den damaligen Geschäftsführer sei „ungetrübt“.

„Dieses Vertrauen können wir Piraten nicht aufbringen und haben der Entlastung des damaligen Geschäftsführers für das Jahr 2022 ebenso widersprochen, wie wir dies auch für die Jahre 2020 und 2021 getan haben. Im Unterschied zu den vorherigen Jahren ist uns hierbei diesmal eine Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung gefolgt. Sollten sich die Vorwürfe nicht bestätigen, kann eine Entlastung auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.“

Thomas Ney, Stadtverordneter für die Piratenpartei

Ney hatte zudem dafür plädiert, dem Aufsichtsrat der Holding aus den gleichen Gründen vorerst keine Entlastung auszusprechen. Hierfür fand sich jedoch in der Stadtverordnetenversammlung keine Mehrheit.

Weitere Informationen: Oranienburg: Stadtverordnete verweigern Entlastung von Ex-Holdingchef Alireza Assadi (MAZ-Online vom 10.10.2023)

1 Kommentar zu „Zur Stromproblematik und Nichtentlastung des ehemaligen Holding-Geschäftsführers“

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