Windkraft in Oranienburg – Nicht über unsere Köpfe hinweg

Windkraft in Oranienburg – Nicht über unsere Köpfe hinweg

Das Thema Windenergie erhitzt derzeit die Gemüter in Oranienburg. Hintergrund ist, dass auf dem Gebiet der Kreisstadt zwei Flächen als sogenannte Windenergiegebiete ausgewiesen werden sollen. Zum einen handelt es sich dabei um eine etwa 150 Hektar große Fläche im Ortsteil Sachsenhausen (Teerofen), zum anderen um eine etwa 480 Hektar große Fläche im Ortsteil Lehnitz.

Hintergrund ist, dass die Bundesregierung im Juli 2022 das sogenannte „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ (WindBG) verabschiedet hat. Kernpunkt des Gesetzes ist, dass Windenergievorhaben im sogenannten Außenbereich gegenwärtig als privilegierte Vorhaben eingestuft werden, solange die Stromerzeugung in Deutschland noch nicht treibhausgasneutral ist. Demnach unterliegen Windkraftanlagen künftig nicht mehr dem Planvorbehalt der Kommunen. Sprich: Diese haben kein Mitspracherecht mehr bei der Errichtung von Windkraftanlagen. Bei der sogenannten Schutzgüterabwägung, der Bauvorhaben normalerweise unterliegen, sollen Windkraftanlagen künftig Vorrang vor Bestimmungen wie dem Natur- und Umweltschutz genießen. Durch eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes ist mittlerweile sogar die Errichtung von Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten möglich; Baugenehmigungen für Windkraftanlagen dürfen auch hier nicht mehr versagt werden. Die zur Diskussion stehende Fläche im Lehnitzer Forst liegt jedoch im Landschaftsschutzgebiet Westbarnim.

Diese Sonderregelungen für Windkraftanlagen gelten solange, bis 2% der Bundesfläche als sogenannte Windeignungsgebiete ausgewiesen sind. Brandenburg als Flächenland soll hierbei sogar mehr leisten. Insgesamt 2,2% der Landesfläche (etwa 652 km², etwa die Fläche von Köln und Frankfurt am Main zusammen) müssen hierzulande als Vorranggebiete für Windkraft ausgewiesen werden. Bayern und Nordrhein-Westfalen müssen jeweils nur 1,8% der Landesfläche zur Verfügung stellen, Berlin als Stadtstaat gar nur 0,5%. Wird das Flächenziel nicht bis zum Jahresende erreicht, gelten selbst die Mindestabstandsgebote der Bundesländer für Windkraftanlagen zu bewohnten Gebieten nicht mehr. Hinzu kommt, dass ein einmal errichtetes Windrad in der Regel nicht mehr zurückgebaut wird. Durch das Recht der Betreiber auf Repowering von Bestandsanlagen können diese jederzeit durch eine neue Anlage mit bis zu fünffacher Höhe der alten Anlage ersetzt werden.

Die Ausweisung von Windeignungsflächen übernehmen im Land Brandenburg regionale Planungsgemeinschaften – im Falle Oranienburgs die Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel, in der auch Bürgermeister Laesicke vertreten ist. Dieser hat sich – gestützt auf einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus dem Jahre 2013 bereits für die Einrichtung der zwei Windeignungsgebiete ausgesprochen. Hiergegen wendet sich die Fraktion FDP/Piraten aktuell mit einem Antrag in der Stadtverordnetenversammlung.

Wir halten zum einen den brachialen Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinden für überaus problematisch. Zum anderen kritisieren wir, dass die Stadtverordnetenversammlung als Gemeindevertretung an den Entscheidungen der regionalen Planungsgemeinschaft nicht beteiligt wird. Bei der zur Diskussion stehenden Fläche in Lehnitz handelt es sich um ein Naturschutzgebiet mit teilweise hochwertigen Mischwaldflächen, die in der Vergangenheit möglicherweise sogar als Ausgleichsflächen für andere Bauvorhaben genutzt wurden. Darüber hinaus liegt die Fläche im Zugweg geschützter Vogelarten. Grundsätzlich stellt die Errichtung von Windkraftanlagen in bewaldeten Gebieten auch eine erhebliche Brandgefahr dar, da derartige Anlagen in der Regel nicht gelöscht, sondern bestenfalls kontrolliert abgebrannt werden können. Angesichts der ohnehin hohen Waldbrandgefahr und der möglichen Munitionsbelastung des Areals durch Weltkriegsmunition und Überreste des ehemaligen Truppenübungsplatzes ein kaum zu kalkulierendes Risiko. Auch ist nicht vermittelbar, warum Oranienburg, wo bereits in großem Umfang Photovoltaik installiert ist, zusätzlich knapp 3,9% seiner Fläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen soll, wohingegen andere Gemeinden gänzlich verschont bleiben.

Auch grundsätzlich muss hinterfragt werden, inwiefern ein weiterer Ausbau von Windenergie bei gleichzeitig stockendem Netzausbau aktuell sinnvoll ist. So nimmt die Zahl der Anlagen, die wegen Überproduktion bei gleichzeitig unzureichenden Netzkapazitäten aus Netzstabilitätsgründen abgeregelt werden mussten, stetig zu. Im Jahr 2023 mussten die Erneuerbaren Energien so bereits um 10,5 TWh gedrosselt werden – davon besonders stark in Brandenburg. Hier sind also die Prioritäten verrutscht.

Dabei geht es nicht um eine grundsätzliche Ablehnung von Windenergie oder gar der Energiewende insgesamt. Wohl aber gegen eine nur ideologisch, aber nicht sachlich begründbare Politik, die noch dazu gegen den Willen der Bevölkerung vor Ort und ihrer gewählten Kommunalvertreter durchgedrückt werden soll.

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