Oranienburg in aller Munde: Bürgermeister schiebt Verantwortung für Energieprobleme ab

Oranienburg in aller Munde: Bürgermeister schiebt Verantwortung für Energieprobleme ab

Seit Tagen ist die Stromversorgung Oranienburgs Thema in vielen regionalen und überregionalen Medien. Die Meldung der Stadtwerke, ab sofort keine neuen Stromanschlüsse und keine zusätzlichen Leistungskapazitäten mehr bereitstellen zu können hat für große Aufregung und Verunsicherung gesorgt. Doch was ist passiert?

Bereits 2017 hat der übergeordnete Netzbetreiber EDIS die Stadtwerke darauf aufmerksam gemacht, dass das bestehende Umspannwerk in der Germendorfer Allee sich seiner Leistungsgrenze nähert und zusätzliche Kapazitäten angemeldet werden müssen. Hierauf hat – so der aktuelle Stand der Dinge – der damalige und inzwischen entlassene Stadtwerkechef Alireza Assadi trotz mehrmaliger Aufforderung nicht reagiert, um ausreichend Kapazitäten für unsere Stadt zu sichern. Infolgedessen ist der notwendige Ausbau des Umspannwerks bzw. ein Ersatzbau nicht zeitnah erfolgt. Es steht der Verdacht im Raum, dass die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zugunsten eines höheren Gewinns der Stadtwerke bewusst nicht vorgenommen wurden – womöglich auch wegen einer gewinnabhängigen Vergütungskomponente.

Auf das Problem der weitestgehend ausgeschöpften Leistungsreserven wurde die neue Stadtwerke-Geschäftsführung im Rahmen einer Bestandsaufnahme aufmerksam und informierte hierüber unverzüglich Verwaltung, Politik und ortsansässige Großunternehmen. Mit zusätzlichen Mitteln der Stadt soll nun durch die Stadtwerke für rund 35 Mio. Euro im Eiltempo ein eigenes, leistungsfähigeres Umspannwerk errichtet werden, um zusätzliche Kapazitäten zu erschließen. Bis dieses errichtet ist, können zumindest im Bereich der Kernstadt und des Ortsteils Sachsenhausen keine weiteren Leistungen bereitgestellt werden. Zwar ist die Versorgung bestehender Abnehmer gesichert, für die Entwicklung unserer Stadt bedeutet dies dennoch zunächst eine Vollbremsung. Die neue Stadtwerke-Führung arbeitet mit Hochdruck an Übergangslösungen und auch das neue Umspannwerk könnte schneller als ursprünglich geplant zur Verfügung stehen. Insofern besteht zumindest die Hoffnung, dass die Auswirkungen des Missmanagements sich am Ende möglicherweise als geringer herausstellen, als es zum gegenwärtigen Zeitpunkt den Anschein haben mag.

In einer unmöglichen Pressemitteilung vom 11.04.2024 hat es der Bürgermeister leider versäumt, die Verantwortlichen für diese Misere klar zu benennen. Stattdessen gibt er an, „der Strombedarf unserer wachsenden Stadt [habe sich] schneller [entwickelt], als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde.“ Dies ist schlicht unzutreffend. Wie bereits erwähnt hatte der Netzbetreiber bereits 2017 auf drohende Kapazitätsengpässe hingewiesen. Es handelt sich also nicht um einen sprunghaften Anstieg des Verbrauchs, sondern um ein Problem mit Ansage. Zudem gab der Bürgermeister an, dass „der verstärkte Einbau von Wärmepumpen“ zu einem erhöhten Strombedarf geführt habe. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, aber – entgegen der verkürzten Berichterstattung vieler Medien – nicht ursächlich für die gegenwärtige Situation. Auch ohne den Einbau von Wärmepumpen – die derzeit nur einen geringen Teil des Verbrauchs ausmachen – hätte Oranienburg dieses Problem lediglich neun bis zwölf Monate später ereilt. Bei einer rechtzeitig vorgenommenen Kapazitätserweiterung hingegen hätten sich weder Wärmepumpen noch E-Ladesäulen zum Problem entwickelt. Von einer verantwortungsvollen Leitung eines kommunalen Versorgers darf man erwarten, dass diese so vorausschauend agiert, dass für derartige Fälle immer ausreichend Leistungsreserven vorgehalten werden. Dies ist hier nicht geschehen.

Die Verantwortung für die nicht vorgenommenen Anpassungen des Netzes an den realen Bedarf trägt somit zuallererst der damalige Geschäftsführer der Stadtwerke. Politisch verantwortlich sind aber vor allem der Bürgermeister und sein Amtsvorgänger. Diese hatten mit dem Stadtwerke-Chef einen Anstellungsvertrag unterzeichnet, der primär auf den Gewinn des Unternehmens fokussiert war, und weniger auf die Versorgungssicherheit und den kommunalen Auftrag der Stadtwerke. Selbst als sich massive Probleme abzeichneten, hielt man am Stadtwerke-Chef fest. Auch nach Vorlage des Abschlussberichts des maßgeblich von uns Piraten vorangetriebenen Holding-Untersuchungsausschusses – der massive Versäumnisse offenbart hatte – sprachen der Bürgermeister, der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende sowie der Vorsitzende der AfD-Fraktion Herrn Assadi weiterhin das Vertrauen aus. Erst als dieser begann, nicht nur einzelne Stadtverordnete, sondern die Stadt selbst mit Klagen zu überziehen, um diese einzuschüchtern, war auch für Bürgermeister Laesicke der Bogen überspannt. Herr Assadi wurde mit einem goldenen Handschlag verabschiedet; die Stadtverordnetenversammlung verweigerte ihm nach Intervention des Piraten Thomas Ney letztlich die Entlastung.

Zwar ist es richtig, dass die Stadt nunmehr rechtliche Schritte und mögliche Schadenersatzansprüche gegen den entlassenen Geschäftsführer prüft. Am gegenwärtigen Problem ändert dies jedoch nichts mehr. Statt dieses zum unvorhersehbaren Schicksalsereignis zu erklären, sollte sich der Bürgermeister kritisch fragen, wie er sich so im ehemaligen Stadtwerke-Geschäftsführer täuschen konnte und warum er trotz deutlicher Alarmsignale so lange an diesem festgehalten hat.

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